Noch vor wenigen Jahren schien eine solche Gesetzgebung unerreichbar. Nun ist dieser historische Moment gekommen – 12 Jahre nach der Verabschiedung der freiwilligen Leitlinien für verantwortungsbewusste Unternehmen, den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs).
Die politische Einigung ist zwar ein bedeutender Schritt in Richtung Unternehmensverantwortung, ist aber in vielerlei Hinsicht unzureichend: Sie lässt einen großen Teil des Finanzsektors außen vor, gilt nur für sehr große Unternehmen und sieht zwar eine zivilrechtliche Haftung vor, versäumt es aber, die Beweislast umzukehren – was es Opfern von Menschenrechtsverstößen erschwert, vor Gericht zu ihrem Recht zu kommen.
Wichtige Punkte wurden nachgebessert
Der ursprüngliche Vorschlag der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates sah vor, dass Verantwortlichkeiten und Kosten in der Lieferkette weitergereicht werden sollen, was zu kontraproduktiven Effekten des Gesetzes führen würde, indem Lieferant*innen noch verletzlicher zurückgelassen worden wären. Die Einbeziehung wichtiger Stakeholder hat dazu geführt, dass einige wichtige Punkte nachgebessert wurden:
- Unternehmen sollen ihre Zulieferer und andere Interessengruppen in ihre Entscheidungen einbeziehen
- Das Kappen von Geschäftsbeziehungen ist nur als letzter Ausweg möglich
- Unternehmen sollen ihre Beschaffungspolitik überprüfen
- Das Recht auf existenzsichernde Löhne wird verankert
Die notwendigen nächsten Schritte
Die politische Einigung und die europäische Richtlinie markieren den Anfang. Nun muss jeder Mitgliedstaat die Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Dies ist eine gute Gelegenheit, um Schlupflöcher in der Richtlinie zu schließen und das Gesetz besser an die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte anzupassen.
Dafür benötigt es die richtigen Vorgaben aus Brüssel – womit die Kommission das Parlament am 14. Dezember beauftragte. Unserer Ansicht nach müssen diese auf Basis der OECD-Leitlinien zur Sorgfaltspflicht, einschließlich ihrer sektorspezifischen Vorgaben, entwickelt werden. Dies sollte Klarheit schaffen, über die Einbindung von Stakeholder*innen, den verantwortungsvollen Rückzug aus Geschäftsbeziehungen, faire Einkaufspraktiken und wirksame Strategien für existenzsichernde Einkommen und Löhne. In ihren Vorgaben ist es an der Kommission zu betonen, dass Verträge nur eines von vielen Instrumenten im Rahmen der Sorgfaltspflicht eines Unternehmens sind. Anstelle traditioneller Top-down-Entscheidungen, sollten Verträge in Zusammenarbeit und im Dialog zwischen Käufer*innen und Lieferant*innen ausgearbeitet werden, wobei beide gemeinsam für die Achtung der Menschenrechte und der Umwelt verantwortlich wären.
Flankierende Maßnahmen sind entscheidend
Anders als das deutsche Gesetz zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette (LkSG) soll die EU-Regelung nicht nur für die direkten Lieferant*innen, sondern auch für die Zulieferer*innen der Zulieferer*innen gelten. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten müssen den Menschen und Unternehmen, die Europa beliefern, Unterstützung anbieten – insbesondere jenen, die sich in einer schwachen wirtschaftlichen Position befinden, wie etwa Kleinbäuer*innen, Arbeiter*innen und Bergleute. Die EU-Vertretungen in den Erzeugerländern können hierbei eine wichtige Rolle spielen.
Darüber hinaus muss die Umsetzung der Richtlinie natürlich auch von den Unternehmen selbst in Angriff genommen werden. Sie müssen Sorgfaltspflichten-Prozesse einführen, die einen offenen Dialog mit Lieferant*innen und anderen Stakeholder*innen garantieren. Sie müssen große Schritte auf ihrem Weg zu existenzsichernden Löhnen und existenzsichernden Einkommen zu machen und um ihre Geschäftsmodelle und Einkaufspraktiken kritisch zu evaluieren. Kurzum: Die europäischen Unternehmen müssen anfangen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und dürfen die Kosten für das Risikomanagement nicht länger auf ihre Zulieferer*innen abwälzen.
Am 14. Dezember hat das Europäische Parlament einen großen Schritt in Richtung Unternehmensverantwortung und verantwortungsvolles Geschäftsgebaren gemacht. Jetzt rufen wir die EU, die Mitgliedstaaten und die Unternehmen auf, diese Dynamik zu nutzen, um die Veränderungen voranzutreiben, die zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt auf der ganzen Welt notwendig sind.
Hierbei handelt es sich um eine gemeinsame Presseerklärung von Fair Trade Advocacy Office, Fairtrade International, Rainforest Alliance und Solidaridad. Das Original finden Sie hier auf englisch.