Jedes CO2-Zertifikat erzählt eine Geschichte – dies ist die von La Coqueta

Auf den entlegenen Hügeln Caucas hat sich eine ungewöhnliche Allianz gebildet: Hier kauft Microsoft CO2-Zertifikate von Kaffeebäuer*innen, um so die eigene Firmenhistorie zu kompensieren. Doch diese Zertifikate stehen nicht nur für eine bestimmte Menge an gespeichertem CO2, sie erzählen auch eine Geschichte – zum Beispiel die von Francisco Arias. Wie er und seine Kolleg*innen auf La Coqueta im Rahmen unseres Projekts „Kaffeebauern werden zu Klimahelden“ für eine lebenswerte Zukunft kämpfen, haben wir uns vor Ort selbst angehört.

Mann betrachtet kleine Kaffeepflanzen vor kolumbianischer Landschaft.

Zur Begrüßung auf La Coqueta gibt es natürlich: Kaffee. Er wird aus großen roten Kannen und mit viel Panela, verkochtem kolumbianischen Zuckerrohrsaft, serviert. Francisco Arias heißt uns willkommen. Er ist der Vorsitzende des Vereins ASOGRUPOS, der hier auf La Coqueta gemeinsam Kaffee anpflanzt. Seit einigen Jahren bewirtschaften unterschiedliche Familien aus 43 Dörfern der Gemeinde La Sierra dieses hügelige Stück Land gemeinsam. Es handelt sich hierbei um eine Fläche, auf der die Bäuer*innen gemeinsam den nachhaltigen Kaffeeanbau üben – eine sogenannte Demonstrationsfläche, die die Vorteile der Agroforstwirtschaft aufzeigen soll.

Mann betrachtet steht vor kolumbianischer Landschaft und spricht zu weiteren Personen.
Francisco Arias, Vertreter von Asogrupos, spricht vor der Presse und dem Team von Solidaridad auf der Farm La Coqueta.

Auf La Coqueta ist die Klimakrise sichtbar und spürbar

Während seiner Begrüßungsrede ziehen hinter Francisco Rauchschwaden eines seit Wochen schwelenden Waldbrandes durch die zerklüftete Landschaft. Die Kleinbäuer*innen hier in der Gemeinde La Sierra bekommen den Klimawandel bereits deutlich zu spüren – seit zwei Monaten hat es hier, zwischen 1.400 bis 2.000 Meter über dem Meeresspiegel, nicht mehr geregnet. Heftige Winde schaden den Kaffeepflanzen und fachen die Feuer weiter an. 

Wir haben ein Problem mit dem Klimawandel. Wir haben seit drei Jahren keinen Sommer mehr, und nur wenn es Sommer gibt, gibt es Kaffee. Wir hatten also drei Jahre lang praktisch nichts zu ernten. Das hat uns ein bisschen zurückgeworfen, es hat uns wirtschaftliche Probleme gebracht.

Franciso Arias, Vertreter der Vereinigung ASOGRUPOS, La Sierra

Über 50 Prozent der kolumbianischen Kaffeeanbaugebiete werden bis 2050 vom Klimawandel betroffen sein. Die Durchschnittstemperaturen werden weiter steigen, wodurch sich die möglichen Flächen für den Kaffeeanbau verringern. Sich verändernde Niederschlagsmuster werden Dürren und Erdrutsche verstärken. Eine der erschwinglichsten Techniken gegen den Klimawandel und für die Anpassung an diesen ist die Agroforstwirtschaft, kombiniert mit klimafreundlichen landwirtschaftlichen Praktiken, von denen denen sowohl die Landwirt*innen als auch die Gesellschaft als Ganzes profitieren. Die Agroforstwirtschaft – also das bewusste Pflanzen von Bäumen in landwirtschaftlich genutzter Fläche – ist laut Studien einer der größtmöglichen Beiträge des Agrarsektors zur Verminderung des Klimawandels.

Die Farmer*innen schützen ihre Kaffeepflanzen mit Schattenbäumen

Die Kaffeebäuer*innen in La Sierra betreiben seit Generationen Kaffeeanbau. Doch sie stehen immer mehr vor dem Problem, dass sich der Kaffeeanbau aufgrund des Klimawandels und der volatilen Marktpreise kaum mehr lohnt. Viele kolumbianische Kaffeebäuer*innen setzen daher – auch unterstützt durch öffentliche Einrichtungen – auf Monokulturen und schnell wachsende Hybridpflanzen, die einen höheren Einsatz synthetischer Chemikalien erfordern. Auch wenn diese Anbaumethode kurzfristig höhere Erträge liefert – auf Dauer laugt sie die Böden aus und macht die Pflanzen krankheitsanfällig. Die Abholzung der Schatten spendenden Bäume und der Verlust der damit verbundenen Ökosystemleistungen (Klimaregulierung, Erosionsbekämpfung, Bewahrung der Fruchtbarkeit und Feuchtigkeit der Böden) versuchen sie, durch stärkere Bewässerung, mehr Dünger und einen vermehrten Pestizideinsatz auszugleichen. Doch das kostet die Bäuer*innen so viel Geld, dass sich der Anbau unter dem Strich nicht mehr rechnet. In ihrer Not und auf der Suche nach besseren Böden dringen sie in wertvolle und intakte Tropenwälder vor.

Kaffeepflanzen stehen vor Kolumbianischer Landschaft.
Schattenbäume schützen die Kaffeepflanzen vor Umweltauswirkungen.

Um diese Negativspirale zu durchbrechen, arbeiten wir im Rahmen des Projekts “Kaffeebauern werden zu Klimahelden” mit 1.200 Bäuer*innen daran, ihre Kaffefincas auf ein nachhaltiges Mischkulturensystem umzubauen. Solidaridad übernimmt dabei die Auswahl der heimischen Baumsorten und das Training der Farmer*innen sowie der lokalen Communities. Gemeinsam mit den Farmer*innen werden Baumschulen etabliert, es wird das gezielte Beschneiden der Kaffeepflanzen trainiert und vor allem: Schattenbäume zwischen die Kaffeepflanzen gesetzt. Die höheren Bäume schützen die Kaffeesträucher vor heftigen Regenfällen und der brennenden Sonne. Die einheimischen Baumarten spenden Schatten und sind gleichzeitig Nahrungsmittellieferanten – an ihnen wachsen Zitrusfrüchte oder Bananen.

Wir haben einige große und einige kleine Bäume gepflanzt. Wir haben Eukalyptusbäume am Rande des Zauns gepflanzt, um Barrieren zu schaffen, die die Luft abschneiden. Denn hier bei uns gibt es zu viel Wind. Hier pusten der Páramo de Chontillas und der Páramo de Barbillas kalte Luft, wenn sie wütend werden.

Francisco Arias, Vertreter der Vereinigung ASOGRUPOS, La Sierra

Hinter jedem Baum und jedem CO2-Zertifikat steckt eine Geschichte

Was die Kaffeebäuer*innen auf der Finca La Coqueta lernen, wenden sie anschließend auf ihren eigenen Fincas an. Diese Fincas sind oft klein, viele kaum größer als ein Hektar. In den Familienbetrieben arbeiten alle Familienmitglieder Hand in Hand, denn nur so ist die Arbeit zu stemmen. Doch die harte Arbeit reicht bei weitem nicht aus: Das Durchschnittseinkommen der Farmer*innen, deren Fincas häufig kleiner als fünf Hektar sind, liegt bei 3.000 bis 5.000 US-Dollar pro Jahr.

Frau und Mann schauen auf ein Smartphone.
Die Erfassung der Fincas erfolgt mit GPS-Trackern.

Vor einiger Zeit hat Solidaridad erkannt: Die internationalen Kohlenstoffmärkte bieten ein großes Potenzial, diese Armut von Kleinbäuer*innen zu mildern und gleichzeitig langfristige finanzielle Anreize für eine Transformation zu nachhaltiger Agroforstwirtschaft zu setzen. Da die weltweite Nachfrage nach Emissionsgutschriften steigt und Unternehmen sowie Organisationen versuchen, ihren CO2-Fußabdruck auszugleichen, befinden sich Kleinbäuer*innen, die wichtige Ökosystemleistungen erbringen, in einer einzigartigen Position. Doch der Zugang zu den internationalen Kohlenstoffmärkten kann ein komplexer Prozess sein, den viele Kleinbäuer*innen selbständig kaum leisten können. 

Kleinbäuer*innen haben bisher noch nicht in großem Umfang vom Kohlenstoffmarkt profitiert. Das liegt vor allem an den hohen Transaktionskosten, die in der Vergangenheit anfielen, um einen handelbaren, einzigartigen und unabhängig überprüfbaren Kohlenstoffwert (den sogenannten Carbon Asset) zu erzeugen. Darüber hinaus bot der Markt in den letzten Jahren im Allgemeinen niedrige Preise. Der Markt hat sich jedoch aufgrund der Netto-Null-Ambitionen führender globaler Unternehmen wie Microsoft und Nestlé drastisch verändert. Dies bietet dem Agrarsektor und den lebensmittelverarbeitenden Unternehmen eine einzigartige Gelegenheit, eine Win-Win-Situation für die gesamte Lieferkette zu schaffen, insbesondere für Scope 3 Emissionen.

Joel Brounen, Geschäftsführer Solidaridad Kolumbien

Gemeinsam mit der niederländischen Rabobank hat sich Solidaridad 2020 auf den Weg gemacht, Bäuer*innen wie Francisco und seine Kolleg*innen auf ihrem Weg zu unterstützen, ihre Fincas gleichzeitig klimaresistent zu machen und in Kohlestoffesenken zu verwandeln. Dafür nutzen wir die von der Rabobank entwickelte CO2-Handelsplattform Acorn – auf der eine eigens für das Projekt eingerichtete Landingpage die am Projekt teilnehmenden Fincas transparent einsehbar darstellt. Die orangen Punkte auf der Projektwebsite entpuppen sich bei genauerem Hinzoomen als einzelne Polygone der Fincas – auch La Coqueta kann so von Ortskundigen online gefunden werden.

Auf der ACORN-Plattform kann der Ursprung der einzelnen Kohlenstoffzertifikate transparent nachverfolgt werden.

Diese akribische Dokumentation der Fincas ermöglicht es Acorn und Solidaridad, stets genau zu wissen, wo, wie und wann ein CO2-Zertifikat generiert und an wen es verkauft wurde. Mit Hilfe von Satellitendaten überprüft Acorn jährlich, ob die Biomasse, die das Zertifikat darstellt, noch vorhanden ist. Das reduziert die Kosten für die Überwachung und Überprüfung erheblich und ermöglicht es den Kleinbäuer*innen, CO2-Zertifikate am internationalen Kohlenstoffmarkt zu verkaufen – und sich so ein zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften. Mindestens 80 % des Geldes, das Acorn mit dem Verkauf eines CO2-Zertifikats verdient, fließt dabei direkt zurück an die Bäuer*innen.

Und noch etwas wird durch diese transparente Dokumentation deutlich: Hinter jedem Zertifikat steckt ein*e Farmer*in!

DANKE AN DIE DEUTSCHE POSTCODE LOTTERIE!

Wir bedanken uns herzlich bei der Deutschen Postcode Lotterie für die Unterstützung des Projekts „Kaffeebauern werden zu Klimahelden“. Möglich machen das die Teilnehmenden der Deutschen Postcode Lotterie, die mit ihrem Loskauf dieses Projekt unterstützen. Danke dafür!