CO2-Zertifikate: Diese Bäuer*innen haben nun jährlich im Schnitt circa 270€ mehr in der Tasche

Die Kritik an Programmen zur CO2-Kompensation reißt nicht ab. Der Markt sei voll mit Fake-Zertifikaten, wie die ZEIT und der Guardian berichten. Man ist geneigt, den gesamten Markt als wirkungslos abzustempeln. Doch es gibt Gegenbeispiele: über die CO2-Handelsplattform Acorn werden Kaffeebauern zu Klimahelden. Wie die Projektimplementierung vor Ort abläuft und wer die Farmer*innen sind, die eine erste Auszahlung erhalten haben, haben wir uns vor Ort selbst angesehen.

Kleinbäuer*innen erhalten einen Scheck für ihre CO2-Speicherleistung

La Sierra ist ein kleines Örtchen, zwei holprige Stunden Autofahrt von Popayán entfernt. Hier treffen wir Diego, seine Frau Yulieth und den gemeinsamen Sohn auf ihrer Finca Limasol an. Die Finca liegt etwas versteckt zwischen Zitrusbäumen und Palmen. Seit 12 Jahren bewirtschaftet die Familie dieses Stück Land – drei Hektar sind es insgesamt. Von diesen drei Hektar ist ein Hektar mit 4.600 Kaffeesträuchern bepflanzt, auf den anderen beiden Hektar befindet sich geschützte Waldfläche.

Diego und Yulieth sind Teil des Projekts “Kaffeebauern werden zu Klimahelden”. Im Rahmen des Projekts erhielten die beiden von Solidaridad Schattenbäume und Schulungen, wie diese einzusetzen sind. Anschließend wurde ihre Finca von Solidaridad-Techniker*innen vermessen und an die CO2-Handelsplattform ACORN angeschlossen. Als die beiden im Herbst 2023 zum ersten Mal Geld für ihre CO2-Speicherleistung erhielten, staunten sie nicht schlecht: 26 Tonnen CO2 haben sie auf ihren 3 Hektaren Land gespeichert – und damit 520 US-Dollar verdient.

Die CO2-Zertifikate und die Erlöse, die wir dadurch erhalten, sind uns eine große Hilfe. Sie sind ein Mehrwert, den wir zusätzlich zur Kaffeeproduktion erwirtschaften. Mit diesem Geld können wir zum Beispiel Düngemittel kaufen oder unsere Maschinen in Stand halten. Und wir können uns auch mal kleine Wünsche erfüllen, zum Beispiel neue Schuhe kaufen oder mal in der Stadt ausgehen.

Diego Edison López, Kaffeebauer in La Sierra, Cauca

Im Rahmen des “Kaffeebauern werden zu Klimahelden”-Projekts werden Kleinbäuer*innen wie Diego an die CO2-Handelsplattform Acorn der Rabobank angeschlossen. War der Kohlenstoffmarkt für diese Bäuer*innen lange unerreichbar, kann der in den Bäumen gebundene Kohlenstoff inzwischen dank Satellitentechnik kostengünstig gemessen und zertifiziert werden. So erhalten die Kleinbäuer*innen die Möglichkeit, ein zusätzliches Einkommen zu erzielen.

Projektteilnehmer*innen erhalten zum ersten Mal Geld für CO2-Speicherleistung

Mindestens 20 Euro pro Tonne entferntes CO2 erhalten die Bäuer*innen – so das Versprechen von Rabobank und Solidaridad. Doch der aktuelle Marktpreis toppt dieses Versprechen: Dieses Jahr lag der Verkaufswert für einige CO2-Zertifikate bereits bei 31 Euro pro Tonne. Vom Verkaufswert gehen 80 % direkt an die Erzeuger*innen und 10 % an ACORN sowie 10 % an Solidaridad für die Projektimplementierung. Die Acorn-Plattform wurde explizit für Kleinbäuer*innen mit maximal 10 Hektar Landbesitz gebaut. 

Im Departamento Cauca haben sich inzwischen 1.200 Kleinbäuer*innen dem Projekt “Kaffeebauern werden zu Klimahelden” angeschlossen. Circa 50 von ihnen haben am 26. September 2023 in Popayán an einer feierlichen Scheckübergabe teilgenommen. Dabei ging es neben der Übergabe der symbolischen Schecks vor allem um eines: die Anerkennung der wertvollen Arbeit, die die Kleinbäuer*innen in Cauca leisten. Mit einem eigens für sie komponierten Song wurde diese Arbeit auf großer Bühne zelebriert – der Titel “Asombráte” bedeutet in etwa “lass dich überraschen” und ist ein Wortspiel mit dem Wort “sombra”, zu deutsch Schatten. 

Event zur Auszahlung der „Klimahelden“ im September 2023 (Video auf spanisch)

Auf der Bühne wurde auch deutlich: “Kaffeebauern werden zu Klimahelden” ist eine schlagkräftige Antwort auf die Frage, wie die Widerstandsfähigkeit von Kleinbäuer*innen gestärkt werden kann und wie diese gleichzeitig zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft beitragen können. Ländliche Gemeinschaften spielen eine enorme Rolle beim Übergang zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft. Solidaridad hilft mit Projekten wie diesem dabei, die Resilienz von Gemeinschaften zu stärken und emissionsarme Lebensmittelketten aufzubauen. Kleinbäuerliche Familienbetriebe sind dabei entscheidend – und sie haben ein großes Potenzial als Kohlenstoffspeicher. 

Der Kohlenstoffmarkt war für viele Erzeuger*innen, insbesondere für Kleinerzeuger*innen, immer unerreichbar. Wir konnten eine Lösung entwickeln, die auf der Grundlage von Satellitensystemen und Algorithmen sicherstellt, dass sie ihre Kohlenstoffgutschriften an einen Kunden wie Microsoft verkaufen können.

JOEL BROUNEN, GESCHÄFTSFÜHRER SOLIDARIDAD KOLUMBIEN

Einmal im Jahr – immer im gleichen Monat – ermittelt die Rabobank über ihre Plattform Acorn, wie viel Kohlenstoff einzelne Fincas im letzten Jahr gespeichert haben. Und dementsprechend erhalten die Kleinbäuer*innen ihre Auszahlung für ihre Kohlenstoffspeicherleistung. Für gewöhnlich findet die erste Auszahlung nach drei Jahren statt – dann nämlich, wenn die Bäume groß genug sind, um von Satelliten erfasst zu werden. Bereits bestehende Bäume können bis zu 5 Jahre rückwirkend angerechnet werden, , wenn nachgewiesen werden kann, dass die Bäume mit dem Ziel, CO2-Zertifikate zu generieren, gepflanzt wurden und die Kleinbäuer*innen externe Unterstützung erhielten.

Die Methodik hinter dem Verkauf der Zertifikate wurde von Plan Vivo zertifiziert, ein auf Landnutzungs- und Forstwirtschaftsprojekte für Kleinbäuer*innen spezialisiertes Zertifizierungsungssytem. Im Rahmen des Projekts werden die Ex-post-Zertifikate der Kaffeebäuer*innen in La Sierra an Käufer*innen wie Microsoft verkauft und anschließend stillgelegt.

Drei Männer stehen auf der Bühne und halten einen Scheck i.H.v. 520€ in den Händen.
Diego Edison López erhält einen Scheck über 530 US-Dollar für seine CO2-Speicherleistung

Erhöhte Ernteerträge und ein zusätzliches Einkommen dank Agroforst

Bis Diego die “Finca Limasol” nach seiner Zeit im kolumbianischen Militär übernahm, war diese braches Farmland. Inzwischen wachsen hier über 4.000 Kaffeesträucher. Diego kombiniert diese mit schattenspendenden Bäumen wie Akazien oder Orangen- und Avocadobäumen. Dass Diego das bereits seit vielen Jahren macht, ist erstaunlich, denn lange galten Bäume zwischen Kakao- oder Kaffeepflanzungen als ertragsmindernd. Erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch: Schattenbäume helfen, die Bodenqualität zu verbessern und so die Ernteerträge zu steigern. Die Bäume haben tiefe Wurzeln, die den Boden festhalten, Nährstoffe für andere Pflanzen liefern und nützliche Insekten anziehen. Die Bäume senken zudem die Durchschnittstemperatur auf den Fincas und schützen vor heftigen Regenfällen und der brennenden Sonne – und sie tragen zur Ernährungssicherheit bei, denn Mangos, Cashews oder Avocados können geerntet und weiterverkauft oder selbst verzehrt werden.

Die Schattenbäume helfen uns sehr. Zum Beispiel helfen sie uns, dass der Boden immer eine gewisse Feuchtigkeit hat und dass es keine Erdrutsche gibt.

Diego Edison López, Kaffeebauer in La Sierra, Cauca

Die Agroforstwirtschaft eignet sich besonders gut für Kulturen wie Kaffee und Kakao, die im Schatten anderer Bäume gut gedeihen. Studien belegen die vielfachen Vorteile der Agroforstsysteme – womit sich diese im direkten Vergleich zu Wiederaufforstungmaßnahmen als wesentlich effektivere Maßnahmen gegen den Klimawandel beweisen.

Wertlose CO2-Zertifikate schaden dem Klima und anderen Projekten

Leider zeigen Recherchen der ZEIT und des Guardian, dass viele Aufforstungsprojekte häufig keine echten Emissionsreduzierungen darstellen. Diese Projekte beziehen sich auf die vermiedene Entwaldung und damit auf hypothetische zukünftige Emissionen, die reduziert werden sollen. Dieses hypothetische Zukunftsszenario lässt eine Reihe von Annahmen und Möglichkeiten zu, wodurch sowohl die Emissionen als auch die Reduktionen künstlich aufgebläht werden. 

Bei der CO2-Bindung durch Agroforstwirtschaft werden Bäume tatsächlich neu gepflanzt, und deren Biomassezuwachs wird wiederum jährlich anhand von Satellitendaten überprüft und gemessen. Das Wachstum der Bäume führt zu einer jährlichen Anreicherung des CO2 in den Bäumen. Dieses in den Bäumen gespeicherte CO2 wird dann bei einer positiven Bilanz monetarisiert – bei einer negativen Bilanz wird kein CO2-Zertifikat erzeugt und es erfolgt keine Auszahlung.

Mann steht an Maschine, aus der Kaffeebohnen fließen.
Diego Edison López erklärt auf seiner Finca den Prozess des Kaffeewaschens

Dass Diego 26 Tonnen CO2 speichern konnte, ist ungewöhnlich. In ähnlichen Projekten lag der Durchschnitt bei vier bis sechs Tonnen CO2 pro Hektar. Doch die Arbeit von Solidaridad im Departamento Cauca zeigte bereits: Der Durchschnittswert liegt hier deutlich höher als in anderen Gebieten Kolumbiens. Eine erneute Messung im nächsten Jahr wird zeigen, ob sich dieser Trend fortsetzt.

Als Kaffeebauern haben wir schon immer einen Sinn für die Erhaltung des Bodens gehabt, aber wir sind nie dafür belohnt worden. Es ist eine große Freude für uns, diesen Anreiz zu erhalten.

Diego Edison López, Kaffeebauer in La Sierra, Cauca

DANKE AN DIE DEUTSCHE POSTCODE LOTTERIE!

Wir bedanken uns herzlich bei der Deutschen Postcode Lotterie für die Unterstützung des Projekts „Kaffeebauern werden zu Klimahelden“. Möglich machen das die Teilnehmenden der Deutschen Postcode Lotterie, die mit ihrem Loskauf dieses Projekt unterstützen. Danke dafür!