Unsichtbares sichtbar machen: Kohlenstoff im Boden modellieren

Unternehmen mit ehrgeizigen Klimazielen und Net-Zero-Verpflichtungen stehen zunehmend unter Druck, ihre Scope 3-Emissionen transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren. Gerade in landwirtschaftlich geprägten Lieferketten wie bei Kaffee oder Kakao fehlen oft belastbare Daten, etwa zur Kohlenstoffspeicherung im Boden. Dabei entscheidet genau dieses Wissen darüber, wie wirksam Maßnahmen zum Klimaschutz in der Lieferkette wirklich sind. Gemeinsam mit der Cool Farm hat Solidaridad deshalb das neue SOC-Modell (Soil Organic Carbon) für mehrjährige Kulturen getestet. Es zeigt, wie sich Boden-Kohlenstoff in Dauerkulturen wie Kaffee oder Kakao realistisch modellieren lässt – und wie Unternehmen so glaubwürdige Klimamaßnahmen umsetzen können.

Scope 3-Emissionen in Dauerkulturen realistisch erfassen

Die Speicherung von Kohlenstoff im Boden ist ein dynamischer Prozess. Gerade in Systemen mit Dauerkulturen – also Pflanzen wie Kaffee, Kakao oder Nussbäumen, die über Jahre hinweg wachsen und geerntet werden – wird die Speicherleistung von vielen Faktoren gleichzeitig beeinflusst: etwa Wurzelwachstum, Laubfall, Bodenbedeckung oder extreme Wetterereignisse.

Während der Boden doppelt so viel Kohlenstoff speichern kann wie die Atmosphäre, fehlt es vielerorts an skalierbaren und kosteneffizienten Methoden, um diesen Speicher realistisch zu erfassen. Die meisten bestehenden Modelle wurden für einjährige Kulturen wie Mais oder Weizen entwickelt. Sie sind nicht in der Lage, den Kohlenstoffgehalt mehrjähriger Kulturen mit dauerhafter Bodenbedeckung und komplexem Pflanzenwachstum abzubilden. 

Das SOC-Modell, eine Ergänzung der Cool Farm Plattform, schließt diese Lücke. Es wurde speziell dafür entwickelt, die Kohlenstoffspeicherung in mehrjährigen Kulturen präziser darzustellen. Statt mit groben Durchschnittswerten zu arbeiten, nutzt das Modell reale Bedingungen: Pflanzentyp, Bodenbewirtschaftung, lokale Wetterdaten. So lässt sich modellieren, wie Kohlenstoff unter echten Anbaubedingungen gebunden oder freigesetzt wird – ohne auf teure Bodenproben von jedem einzelnen Feld angewiesen zu sein. Trotz seiner wissenschaftlichen Tiefe bleibt das Modell praxisnah und einfach in der Anwendung und ist dadurch attraktiv für Kleinbäuer*innen.

Mark Okot, ein Kaffeebauer und Teilnehmer des Programms „Kaffeebauern zu Klimahelden“, hält sein Smartphone mit einer SMS in der Hand, die die erfolgreiche Auszahlung von Geldern aus dem Verkauf von Carbon Removal Units (CRUs) durch Solidaridad bestätigt.

SOC-Feldtest mit Kleinbäuer*innen: CO₂-Daten erfassen im globalen Süden

Solidaridad hat das SOC-Modell im Rahmen des Climate Heroes-Programms getestet – gemeinsam mit Kleinbäuer*innen, die in Ost- und Zentralafrika Kaffee und Kakao anbauen. Unsere Teams begleiteten die Erhebung und Validierung der Felddaten, organisierten Schulungen und unterstützten die lokale Anwendung der Cool Farm Platform. Damit wurde sichergestellt, dass das Modell auch unter realen Bedingungen funktioniert – nicht nur auf dem Papier.

Ein zentrales Ziel dieser Zusammenarbeit war es, die Methode an lokale Gegebenheiten anzupassen. Denn nur wenn ein Modell die tatsächlichen Bedingungen vor Ort abbildet, lassen sich daraus sinnvolle Maßnahmen ableiten – sei es für den Bodenaufbau, die Auswahl geeigneter Zwischenfrüchte oder die Umstellung auf organische Düngung. Unsere Teams erhalten dazu kontinuierliche Schulungen, wie zuletzt im Mai 2025 in Zentralamerika.

Wir wussten, dass wir über reine Statistik hinausgehen müssen, um den Anforderungen der Kleinbäuer*innen sowie der Unternehmen gerecht zu werden. Das SOC-Modell ermöglicht es den Nutzer*innen konkret zu sehen, welche Auswirkungen auf die CO₂-Speicherleistung ihre Managemententscheidungen haben – das ist sehr eindrücklich.

Emily Durrant-Munro, Projektleitung Cool Farm

Klimaschutz messbar machen – neue Chancen für Kleinbäuer*innen

Für Bäuer*innen ist das SOC-Modell eine vielversprechende Entwicklung. Denn es macht sichtbar, was bisher unsichtbar blieb: wie nachhaltigere Bewirtschaftungsmethoden – etwa durch Agroforstwirtschaft oder organische Bodenpflege – messbar zur CO₂-Speicherung beitragen. Damit erhalten Kleinbäuer*innen nicht nur eine solide Entscheidungsgrundlage, sondern auch neue Perspektiven. Wer seine Emissionen belegen und senken kann, erhält Zugang zu Klimafinanzierung oder zu CO₂-Märkten. Gleichzeitig profitieren die Kleinbäuer*innen von gesünderen Böden, einer höheren Produktivität und einer gesteigerten Resilienz gegenüber Extremwetterereignissen.

Auszahlung von CO2-Zertifikaten an Kaffeebäuer*innen in der Region Nandi, Kenia.

SOC-Modell: Scope 3-Emissionen im Unternehmen managen

Unternehmen, die sich seriös auf den Weg Richtung Net Zero machen – etwa im Rahmen der Science Based Targets Initiative (SBTi) – müssen Scope 3-Emissionen mitdenken. Besonders relevant sind dabei sogenannte FLAG-Emissionen: Treibhausgase aus Forstwirtschaft, Landnutzung und Landwirtschaft. Sie machen weltweit rund ein Viertel aller Emissionen aus – und betreffen insbesondere Unternehmen mit landwirtschaftlich geprägten Lieferketten.

Das Problem: Viele dieser Emissionen entstehen indirekt – durch Landnutzungsänderungen, Düngemitteleinsatz oder Entwaldung bei Zulieferern. Gleichzeitig fehlt es oft an belastbaren Daten, einheitlichen Methoden und praktikablen Monitoring-Systemen.

Hier setzt das SOC-Modell an. Es schafft eine wissenschaftlich fundierte Grundlage, um:

✅ CO₂-Fußabdrücke entlang der Lieferkette transparent zu berechnen
✅ Treibhausgasbilanzen für Dauerkulturen und Agroforstsysteme zu verbessern
✅ Insetting-Projekte und Investitionen in regenerative Landwirtschaft zu ermöglichen
✅ Datenqualität zu sichern – mit peer-reviewter Wissenschaft und Unsicherheitsanalysen
✅ standardisierte Metriken für Regulierung und Markttransparenz zu liefern

Mit SOC lassen sich Emissionen nicht nur realistisch abbilden – sondern auch gezielt reduzieren. Unternehmen erhalten so eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für Klimastrategien, Berichterstattung und Lieferkettenmanagement.

Nächste Schritte: So unterstützen wir bei der Projektimplementierung und beim Reporting

Solidaridad kombiniert neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit praxisnaher Umsetzung vor Ort. Was uns auszeichnet: Eine Kombination aus Wissen und Zugriff auf digitale Tools plus eine starke lokale Vernetzung.

Das SOC-Modell ermöglicht es uns, gemeinsam mit Cool Farm, Unternehmen und kleinbäuerlichen Gemeinschaften Klimaschutz entlang der gesamten Lieferkette umzusetzen – vom Feld bis zum Reporting. Das Modell ist ab sofort als Teil der Cool Farm Platform 3.0 verfügbar.

Wer mehr über unsere Arbeit im Programm Climate Heroes erfahren möchte, kann sich gerne an Martine Krabben wenden: 📩 martine.krabben@solidaridadnetwork.org 

Wenn Sie mehr über diese Partnerschaft erfahren möchten, wenden Sie sich bitte an Emily Durrant-Munro unter 📩 emily@coolfarmtool.org

Weitere Informationen zu diesem Modell erhalten Sie von Dr. Megan McKerchar unter 📩 support@coolfarmtool.org.