Kleinbäuerliche Familien leiden besonders unter Inflation und Preissteigerung
Zusätzlich verstärkt die Inflation und Preissteigerung den Druck auf die Bäuer*innen in Westafrika. “Früher konnte ich mit dem Verkauf von Kakaobohnen die notwendigen Ausgaben für meine Familie finanzieren. Das ist jetzt sehr schwierig geworden. Die Preise für die Produkte liegen weit über meinen bisherigen Einnahmen. Ich habe Kinder, um die ich mich kümmern muss, und ich kämpfe jetzt darum, ihre Schulgebühren zu bezahlen”, sagte Yao Kouame Martia von der Kakao-Kooperative ECAM im Südwesten von Côte d’Ivoire.
Armut führt zu Abholzung statt Klimaschutz
Ebenso werden Belastungen für Kakaobäuer*innen, die durch Umweltfaktoren wie den Klimawandel entstehen, nicht wirksam angegangen. Es gelang bisher weder Politik noch Unternehmen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren oder die langfristige Einführung guter landwirtschaftlicher Praktiken zu unterstützen. Stattdessen sehen sich die Bäuer*innen weiterhin gezwungen, den Regenwald abzuholzen, um ihre geringen Erträge zu steigern. (Nationale und internationale) Strategien, die darauf abzielen, die Kakaoproduktion zu steigern und so die Armut der Bäuer*innen zu bekämpfen, lösen diese Probleme langfristig nicht.
Die Nachhaltigkeits-Lüge: Label steigern das Einkommen der Bäuer*innen nicht
Beruhend auf den neuesten Erkenntnissen über Kakaolieferketten zeigt das Barometer, dass Entwicklungszusammenarbeits-Programme zur Produktivitätssteigerung und Diversifizierung langfristig wirkungslos bleiben. Stattdessen müssen echte Anstrengungen unternommen werden, um das Existenzminimum der Bäuer*innen durch höhere Preise zu sichern und ihnen so die finanziellen Möglichkeiten eröffnen, die Umwelt zu schützen. Auch Nachhaltigkeitssiegel wie UTZ/Rainforest und Fair Trade, die heute zwischen einem Drittel und der Hälfte der Kakaoproduktion zertifizieren, reduzieren das Armutsproblem in den meisten Fällen nicht. Stattdessen sind sie meist irreführend: Die Familien von Kakao-Bäuer*innen können in der Regel ihre Grundbedürfnisse nicht decken. Das gilt auch für Bäuer*innen, die für zertifizierte Projekte mit Nachhaltigkeits-Label arbeiten.
Trotz dieser Erkenntnisse betreiben die meisten Kakao-Einkäufer*innen ihr Geschäft immer weiter wie gewohnt. Sie unterstützen zwar Programme der Entwicklungszusammenarbeit, weigern sich jedoch, die Preise anzuheben und so existenzsichernde Löhne zu garantieren.
Es braucht gesetzliche Verpflichtungen, damit Unternehmen höheren Preise zahlen
Das Barometer kommt zu dem Schluss, dass für ein existenzsicherndes Einkommen der Kakaobäuer*innen Maßnahmen an drei verschiedenen Fronten erforderlich sind: eine verantwortungsvolle Politik öffentlicher Stellen, eine faire Einkaufspraxis des Privatsektors und eine nachhaltige landwirtschaftliche Praxis der Bäuer*innen. In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich jedoch fast alle Bemühungen im Kakaosektor auf die Bäuer*innen selbst konzentriert. Die notwendigen Änderungen der Regierungspolitik und der Einkaufspraktiken, die für die Bekämpfung von Nachhaltigkeitsproblemen erforderlich sind, wurden von Politik und Unternehmen aktiv vermieden.
In diesem Zusammenhang sind die jüngsten Bemühungen der EU, Richtlinien zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht, wie die “Corporate Sustainability Due Diligence Directive” (CSDDD) einzuführen, ein begrüßenswerter erster Schritt zur Schaffung einer transparenteren Lieferkette. Die Richtlinien zielen darauf ab, ökologische und soziale Schäden in globalen Lieferketten, einschließlich der Kakao-Branche, einzudämmen. Sie sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Unternehmen für ihre Einkaufspraktiken zur Rechenschaft verantwortlich gemacht werden. Trotz dieser positiven politischen Entwicklungen drängt die Zeit: Unternehmen müssen schon jetzt handeln. Sie müssen höhere Preise zahlen.