Am 24. April verabschiedete das Europäische Parlament die internationale Richtlinie zur sozialen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD). Dieses Gesetz verpflichtet große Unternehmen in der EU, die Auswirkungen ihres Wirtschaftens auf die Menschenrechte und die Umwelt entlang der Lieferketten zu berücksichtigen. Damit setzt es existenzsichernde Einkommen, existenzsichernde Löhne und verantwortungsvolle Einkaufspraktiken auf die Tagesordnung aller großen Unternehmen.
Direkt am nächsten Tag veranstaltete Solidaridad eine Konferenz in Düsseldorf, welche die Umsetzung der CSDDD und weiterer Sorgfaltspflichtengesetze zum Thema hatte. Das Timing hätte nicht besser sein können, um über die Frage zu sprechen, wie die EU-Gesetzgebung genutzt werden kann, um einen positiven Impact für Kleinproduzent*innen zu haben.
Ziel der Konferenz war es, Vertreter*innen des globalen Südens und des globalen Nordens, aus Wirtschaft und Regierung sowie der Zivilgesellschaft zusammenzubringen, um die Frage zu diskutieren: Wie sieht ein inklusiver und effektiver Rahmen für die verpflichtende Sorgfaltspflicht eigentlich aus? Wie werden die EUDR und die CSDDD in der Praxis funktionieren, und was wird von uns allen benötigt, um eine erfolgreiche und wirksame Umsetzung zu gewährleisten?
Unterschiedliche Menschen, eine Botschaft: Gemeinsam für den Fortschritt
Wenn man so viele unterschiedliche Redner*innen zusammenbringt, erhält man meist nicht die eine einfache Antwort, sondern viele große Antworten. Und dennoch wurde eines klar: Die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteur*innen ist elementar.
Um es mit den Worten von Aldo Cristiano, Leiter der Abteilung “Institutional Affairs and Sustainability” bei Ferrero Deutschland, zu sagen: Um die Welt zu bewegen, müssen wir uns alle in die gleiche Richtung drehen. Und mit „wir“ sind nicht nur die Zivilgesellschaft und die Regierungen der Verbraucherländer in Europa gemeint. Es sind nicht nur die großen, weltweit tätigen Unternehmen gemeint. Nein, um die Welt zu verändern, brauchen wir überall Verbündete. Wir müssen mit den Regierungen der Erzeugerländer zusammenarbeiten und mit den kleinen Erzeuger*innen zusammenarbeiten, die oft übersehen werden.
Rachel Wanyoike, Geschäftsführerin von Solidaridad Ost- und Zentralafrika, sprach aus der Perspektive der Kleinerzeuger*innen, als sie sagte: „Sie sind bereits mit administrativen und rechtlichen Hürden konfrontiert. Ihnen einfach noch mehr Kosten aufzubürden, um ihnen zu ermöglichen, nach Europa zu verkaufen, wäre unfair und letztlich erfolglos, wenn unser Ziel wirklich eine bessere, nachhaltigere Welt ist.”
Und Stefan Dierks, Direktor für Nachhaltigkeitsstrategie bei der Melitta-Gruppe, brachte es auf den Punkt, als er von „Co-Creation“ sprach. Ausgehend von seinen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Kaffeebäuer*innen erinnerte er uns daran, dass Gesetze aus dem Ausland und von oben nichts bringen, wenn man die lokalen Gegebenheiten nicht berücksichtigt und die Menschen in der Region nicht einbezieht. Der Schwerpunkt muss auf der Zusammenarbeit mit den Kleinerzeuger*innen liegen, um gemeinsam die Systeme und Kapazitäten zu schaffen, die sie für den Übergang zu nachhaltigeren und menschlichen Produktionsverfahren benötigen. Und es muss sichergestellt werden, dass der Verwaltungsaufwand und die Kosten nicht auf die Kleinbäuer*innen abgewälzt werden.
Um es konkreter zu formulieren: Die erfolgreiche Umsetzung von Sorgfaltspflichtengesetzen erfordert:
- 1. Starke Partnerschaften:
Eine Kollaboration mit starken Partner*innen wird bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichtengesetze von zentraler Bedeutung sein. Und gleichermaßen werden die neuen Gesetze dazu führen, dass es mehr Möglichkeit geben wird, den Austausch zwischen den Beschaffungs- und Erzeugerländern auszubauen. Doch dies erfordert umfangreiche Unterstützung und flankierende Maßnahmen. Hierzu müssen die europäischen Regierungen und Unternehmen unbedingt einen intensiveren Dialog mit den Vertreter*innen der Herstellerländer führen. Shatadru Chattopadhayay, Geschäftsführer von Solidaridad Asia, betonte, wie wichtig es ist, auf bestehenden nationalen Standards aufzubauen, um eine Harmonisierung zu erreichen.
Marchel Germann, Botschafter für Wirtschaft und Entwicklung und Direktor für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung im niederländischen Außenministerium, hob hervor, dass die EU-Mitgliedstaaten zwar Rechtsvorschriften zur Sorgfaltspflicht initiiert hätten, dass deren Erfolg jedoch die Beteiligung aller Akteur*innen entlang der Wertschöpfungskette erfordert.
Wie auf der Konferenz ausführlich erörtert, müssen die EU-Mitgliedstaaten die Umsetzung der CSDDD durch Kooperationen mit Handelspartnern unterstützen, wobei die am stärksten betroffenen Länder am stärksten einbezogen werden müssen. Die Unternehmen wiederum müssen für Transparenz entlang ihrer Lieferketten sorgen und einen gut informierten Dialog zwischen den Beteiligten fördern. Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die vorwettbewerbliche Synergien nutzt, ist für die Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen von entscheidender Bedeutung. Multi-Stakeholder-Initiativen (MSI) können den Wissensaustausch, die gemeinsame Nutzung von Daten und die Umsetzung wirksamer Lösungen erleichtern.
Nanna Callisen Bang, Geschäftsführerin von Ethical Trade Denmark, betonte die Notwendigkeit von Investitionen, Kapazitätsaufbau und Partnerschaften zur Unterstützung der Produzent*innen und Arbeiter*innen im globalen Süden. Sie sprach sich dafür aus, dass in MSIs konkrete Instrumente und Praktiken entwickelt werden und diese als Plattformen für den Dialog zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor dienen. Auch wenn die Sorgfaltspflichtengsetze durchaus kritisiert werden und es auch Anlass zur Sorge gäbe, überwiegen für Marchel Germann die Vorteile – mehr noch, er sieht die Gesetze als große Chance. Im Rahmen der Konferenz plädierte er für Engagement und qualitativ hochwertige Unterstützung und betonte, wie wichtig es sei, den lokalen Akteur*innen zuzuhören und regionale Besonderheiten zu verstehen.
- 2. Flankierende Maßnahmen und Instrumente:
Für alle vom Gesetz betroffenen Personen ist Hilfestellung elementar. Hierfür sollten Tools entwickelt werden, die auf die verschiedenen Akteur*innen entlang der Lieferketten zugeschnitten sind, von den staatlichen Stellen bis hin zu den Kleinbäuer*innen. Diese Tools sollten sich mit Fragen der Rückverfolgbarkeit befassen, Kapazitäten aufbauen und den Wissensaustausch erleichtern, um sicherzustellen, dass die verpflichtende Sorgfaltspflicht für schutzbedürftige Gruppen umsetzbar ist und nicht nur auf dem Blatt Papier existiert. Benjamin Mohr von der GIZ unterstrich die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit bei der erfolgreichen Einführung und Umsetzung von Sorgfaltspflichtengesetzen. Flankierende Maßnahmen sind für eine effektive Umsetzung unerlässlich. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen vorrangig die Rechteinhaber*innen und die Wirtschaftsakteur*innen in den globalen Wertschöpfungsketten sowie ihre Partnerländer finanziell und technisch unterstützen. Wir wissen aus der Zusammenarbeit mit Kleinbäuer*innen, wie wie wichtig es ist, die Ursachen von Armut zu bekämpfen und nachhaltige Praktiken zu fördern, damit die Sorgfaltspflicht ihre volle Wirkung entfalten kann. Entsprechende Begleitmaßnahmen können zwar nicht alle Probleme lösen, aber sie können verhindern, dass diejenigen, die bereits an den Rand gedrängt wurden, weiter belastet werden.
Eine kontinuierliche Überwachung der Gesetze und Begleitmaßnahmen ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Unterstützung die Menschen am Anfang der Lieferkette wirklich erreicht – und um anschließend zu überprüfen, ob die neuen Gesetze ihre integrativen Ziele tatsächlich erreichen. Dazu müssen Feedback-Schleifen etabliert werden, die Anpassungen der Gesetze möglich machen.
Die Generaldirektion Internationale Partnerschaften (GD INTPA) der Europäischen Kommission und das Internationale Handelszentrum (ITC) haben in Zusammenarbeit mit den relevanten Interessengruppen eine Typologie von acht Kategorien für Begleitmaßnahmen eingeführt.
All diese Maßnahmen sind wichtig und notwendig. Wir haben mit Kleinbäuer*innen und ihren Vertreter*innen darüber gesprochen, was darüber hinaus benötigt wird. Ihre Antworten:
- Informationen und Anleitungen zum Sorgfaltspflichtprozess und zu den rechtlichen Anforderungen;
- Zusammenarbeit mit der Industrie und Einbeziehung der Interessengruppen;
- Kapazitätsaufbau und Stärkung der Produzent*innen/Lieferant*innen; und
- ein regulatorisches Umfeld und unterstützendes Ökosystem in den Partnerländern
Lies hier mehr über die entscheidenden Maßnahmen, die die Europäische Union und die Mitgliedstaaten für eine wirksame Umsetzung der EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD) entwickeln sollten. Der Schwerpunkt dieses Papers liegt auf der Unterstützung von Kleinbäuer*innen und ihrer Gemeinschaften außerhalb der EU.
- 3. Ehrgeizige und engagierte Unternehmensunterstützung:
Eine umfassende obligatorische Sorgfaltspflichtregelung stellt erhebliche Anforderungen an alle Akteur*innen entlang der Lieferketten, insbesondere an große Unternehmen und solche, die an der Inklusion von Kleinproduzent*innen interessiert sind und für die die Vorschriften nicht bloß dafür da sind, eingehalten zu werden.
Werden Unternehmen ihrer Verpflichtung zum Schutz von Arbeiter*innen nicht gerecht, zum Beispiel indem die sich aus problematischen Regionen zurückziehen, statt an einer Verbesserung zu arbeiten, schadet das denjenigen, die eigentlich durch die Gesetze geschützt werden sollen. Die CSDDD sieht den Rückzug aus der Lieferkette als letzten Ausweg vor – doch im Endeffekt sind es die Unternehmen, die hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Sie sind es, die solide Sorgfaltsprüfungsprozesse einführen müssen, indem sie in den Dialog mit Zulieferer*innen treten. Sie sind es, die die Verantwortung für die Überbrückung von Lohn- und Einkommensunterschieden tragen und ihre Geschäftsmodelle und Einkaufspraktiken stets kritisch hinterfragen müssen. Unternehmen müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und dürfen die Kosten für ihr Risikomanagement nicht auf ihre Lieferant*innen abzuwälzen. Ermutigend ist, dass die Unternehmen auf unserer Konferenz ihre Bereitschaft dazu bekundeten und sich Aldos Meinung anschlossen: „Wir können das schaffen!“
Die Welt bewegen
Ja, wir können das schaffen, wenn wir die auf dieser Konferenz erörterten Themen in Angriff nehmen. Es handelt sich dabei nicht um Details, um die wir uns irgendwann in der Zukunft kümmern können. Eine umfassende und wirksame Sorgfaltspflicht bedeutet, dass wir alle sicherstellen müssen, dass die kleinen Details nicht die von uns angestrebte Wirkung zunichtemachen. Für die Erzeugerländer außerhalb der EU geht es beim Thema unternehmerische Sorgfaltspflicht nicht darum, dass die europäischen Verbraucher*innen mit gutem Gewissen schöne Dinge kaufen können; nein, stattdessen geht es darum, die wirklichen Auswirkungen vor Ort zu verbessern. Und das werden wir nur schaffen, wenn wir nicht nur die Verletzung von Menschenrechten entlang der Lieferketten bestrafen, sondern vor allem Anreizen für eine kontinuierliche Verbesserung schaffen. Dazu müssen wir gemeinsam auf eine globale Bewegung hinarbeiten – der Lebensunterhalt von Millionen von Kleinbäuer*innen und ihren Familien hängt davon ab.