Schlechte Anbaumethoden gefährden die Biodiversität
Weltweit ist konventionell angebaute Baumwolle die sechstintensivste Kulturpflanze im Hinblick auf den Pestizideinsatz und belegt den dritten Platz bei der Nutzung hochgefährlicher Insektizide. Mit etwa 35 Millionen Hektar, die weltweit für den Baumwollanbau genutzt werden – das sind rund 2,5 % der weltweiten Ackerfläche – ist der globale Effekt dieser Anbaumethoden keinesfalls zu unterschätzen. Baumwollanbau kann potenziell zur fortschreitenden globalen Biodiversitätskrise beitragen.

Vier zentrale Faktoren im aktuellen Baumwollanbau beschleunigen den Rückgang der biologischen Vielfalt weltweit:
- Der exzessive Einsatz von Agrarchemikalien (darunter Düngemittel und Pestizide wie Herbizide, Insektizide und Fungizide),
- Monokulturen (Anbau großer Flächen mit ein und derselben Pflanzenart),
- ein hoher Wasserverbrauch sowie Wasserverschmutzung (durch ineffiziente Bewässerung oder Versalzung),
- Umwandlung natürlicher Flächen in Ackerland (Landnutzungswandel).
Studien zeigen, dass der weit verbreitete Einsatz von synthetischen Pestiziden und chemischen Düngemitteln in der konventionellen Baumwollproduktion gravierende Auswirkungen auf die Biodiversität auf mehreren Ebenen hat: die genetische Vielfalt schwindet, die Artenvielfalt geht zurück und die Vielfalt der Ökosysteme wird reduziert. Dies kann zu Resistenzbildungen gegenüber gängiger Pestizide führen und hat in vielen Regionen das vermehrte Auftreten von Sekundärschädlingen wie Weißen Fliegen, Miriden oder Blattläusen zur Folge. Dadurch steigt die Abhängigkeit von Pestiziden weiter, was wiederum viele andere Lebewesen im Boden-Ökosystem gefährdet.
Ein besonders prominentes Beispiel für die umweltschädlichen Auswirkungen des Baumwollanbaus ist der Tod von über einer Million Fischen im australischen Lower Darling River System im Jahr 2019, der darauf zurückzuführen ist, dass dem Fluss enorme Mengen Wasser zur Baumwollbewässerung entnommen wurden.
Die Landwirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität leisten – wenn sie im Einklang mit der Natur betrieben wird. Doch bevor Baumwollanbau wirklich ökologisch und ökonomisch nachhaltig werden kann, müssen wir zunächst wiedergutmachen, was durch den übermäßigen Einsatz von Chemikalien, Landumwandlung, Monokulturen und schlechtes Wassermanagement bereits verloren gegangen ist.
Tamar Hoek, Senior Policy Director für nachhaltige Mode bei Solidaridad
Kleinbäuerliche Betriebe als Hoffnungsträger für die Biodiversität
Der Bericht zeigt: Industrielle Betriebe nutzen häufiger moderne Technologien wie mechanisierte Bewässerung oder Drohnen und Flugzeuge zur Ausbringung von Agrarchemikalien – all dies kann die Biodiversität negativ beeinflussen. Zwar bieten Großbetriebe mit ihren Ressourcen grundsätzlich auch Potenziale für Biodiversitätsschutz auf Landschaftsebene – doch bislang setzt der Großteil dieser Betriebe auf den intensiven Einsatz von Agrochemie.
Kleinbäuer*innen hingegen – die über 70 % der weltweiten Baumwolle produzieren (Solidaridad, 2023) – sind in einer hervorragenden Position, um Biodiversitätsverlust aufzuhalten oder sogar umzukehren. Investitionen in beispielsweise organischen oder regenerativen Landbau können Baumwollfarmen zu Hotspots der Biodiversität machen.
Kleinbäuer*innen können diesen Wandel anführen. Wenn sie auf ökologischen Anbau umstellen, werden ihre Betriebe widerstandsfähiger und biodiverser. Unsere jüngste Lebenszyklusanalyse zeigt: Der ökologische Anbau reduziert Umweltbelastungen wie Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch und chemische Verschmutzung signifikant. Diese Reduktionen sind entscheidend für den Schutz von Ökosystemen und der dort lebenden Arten. Jetzt braucht es langfristige Investitionen und Engagement von Unternehmen, Regierungen und der gesamten Lieferkette, um diese Initiativen zu skalieren und eine Zukunft zu sichern, in der Baumwollanbau zum Booster für Biodiversität wird.
Bart Vollaard, Geschäftsführer OCA
Fallbeispiele: Das Potenzial nachhaltiger Anbaupraktiken
Die im Bericht aufgezeigten Fallstudien belegen, wie groß der positive Einfluss nachhaltiger Baumwollanbaumethoden sein kann. So arbeitete Solidaridad im Erntejahr 2020/2021 mit 8.000 Baumwollbäuerinnen und -bauern in Maharashtra, Indien, zusammen, um regenerative Anbaupraktiken gemäß dem Zertifizierungssystem Regenagri einzuführen. Im Mai 2025 – fünf Jahre später – wurden in Maharashtra bereits 39.498,05 Hektar Baumwollfläche nach regenerativen Prinzipien bewirtschaftet, was etwa 1 % der regionalen Baumwollfläche entspricht. Die Ergebnisse auf den Betrieben zeigen: 12–30 % weniger Anbaukosten, 12–18 % höhere Erträge und 35 % Wasserersparnis seit Beginn des Programms.

Ebenfalls erfolgreich: Ein von OCA umgesetztes Projekt in Petlawad, Madhya Pradesh, Indien: Das Bäuer*innenpaar Rama und Sajan Bhilji hat in den letzten fünf Jahren ihre Farm auf ökologischen Baumwollanbau umgestellt. Auf einem Teil ihres Hofes erproben sie den naturnahen Anbau von Baumwolle. Dieses Feld dient der Dorfgemeinschaft als lebendiges Klassenzimmer, in dem andere Landwirt*innen die Veränderungen direkt miterleben können. Dort wachsen Baumwolle, Mungbohnen, Straucherbsen und Sonnenblumen nebeneinander. Mischkulturen verbessern die Bodenfruchtbarkeit und ziehen Bestäuber an. Bodendecker wie Augenbohnen und schwarze Mungobohnen verhindern Erosion und nähren den Boden, während Ringelblumen als natürliche Schädlingsbekämpfer dienen. An den Rändern wachsen Neem, Bambus, Akazie, Mango und Brustbeere (Jujube), die als lebender Zaun Schatten spenden, Vögel und Bienen anlocken und den Boden feucht halten. Oder, wie Rema sagt: „Jede Pflanze, jeder Baum, jedes Insekt hat seine Aufgabe. Ich baue ein gesundes System auf, das sich selbst trägt.“
Unternehmen, Bäuer*innenverbände und Regierungen müssen aktiv werden
Solche Erfolgsgeschichten inspirieren – und bleiben doch wirkungslos, wenn sie nicht weiter skaliert werden. Der biologische und regenerative Baumwollanbau muss weiter verbreitet werden, um echte Wirkung zu entfalten. Der Cotton and Biodiversity Bericht schließt mit einem Appell an alle Akteur*innen entlang der Lieferkette: Jetzt ist die Zeit zu handeln!
Die Arbeit von Marken und Einzelhändler*innen ist nicht mit der Beschaffung zertifizierter Baumwolle getan. Es müssen konkrete Nachhaltigkeitsbudgets bereitgestellt werden, um Bäuer*innen beim Übergang zum umweltfreundlichen Baumwollanbau zu unterstützen. Bäuer*innenverbände und Zertifizierer*innen müssen in Schulungen investieren, die sowohl biodiversitätsfördernde als auch sozial verantwortliche Anbaumethoden vermitteln.
Regierungen sollten öffentliche Institutionen und Universitäten stärken, damit diese Forschung zu Baumwollsaatgut, optimalem Einsatz von Betriebsmitteln und sinnvollen Mischkulturen vorantreiben – alles mit dem Ziel, die Biodiversität zu steigern.
Denn kleine Baumwollbäuer*innen haben das Potenzial, Biodiversität auf ihren Feldern zu fördern, nun gilt es dies zu nutzen!