Q C Conta: Lieferkettengesetz in der Anwendung

Q C Conta – sinngemäß zu übersetzen mit „Was die Leute erzählen“ in der portugiesischen Umgangssprache in Brasilien – ist ein Projekt, welches wir gemeinsam mit dem Deutschen Kaffeeverband, deutschen Kaffeeunternehmen und in enger Zusammenarbeit mit brasilianischen Akteur*innen aus dem Kaffeesektor umsetzen. Ziel des Projekts ist die praktische Implementierung eines globalen Beschwerdemechanismus und dessen Anpassung an die kontextspezifischen Gegebenheiten des brasilianischen Kaffeesektors. Dies soll es Arbeiter*innen, Kaffeefarmer*innen und anderen Stakeholdern ermöglichen, etwaige Verstöße gegen soziale und umweltbezogene Mindeststandards zu melden, damit diese nachfolgend adressiert und vermieden werden können.

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in der Umsetzung

Globale Lieferketten sind oftmals komplex, intransparent, lang und dementsprechend unübersichtlich – hier setzt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) an. Seit Anfang 2023 verpflichtet es Unternehmen ab einer gewissen Größe, unternehmerische Sorgfaltspflichten bezüglich der Achtung der Menschenrechte und dem Schutz der Umwelt wahrzunehmen. Diese Sorgfaltspflichten beziehen sich auf die Lieferant*innen der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette (inklusive der Rohstoffbeschaffung) bei sogenannter „substantiierter Kenntnis“ – also wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass ein Risiko der Verletzung von Menschenrechten und Umweltschutz vorliegen. Zu den wesentlichen Bestandteilen des LkSG gehört neben der spezifischen Risikoanalyse auch die Einrichtung eines Beschwerdemechanismus zur Meldung von sozialen sowie umweltbezogenen Missständen durch Betroffene sowie gegebenenfalls dann die Umsetzung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen.

Um die Umsetzung des Gesetzes zu begleiten und zu unterstützen, hat die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) den Due Diligence Fund ins Leben gerufen, der von der Initiative für nachhaltige Agrarlieferketten (INA) verwaltet wird und die Projektförderung für das Projekt Q C Conta anteilig übernimmt – konkret die Aktivitäten von Solidaridad in Deutschland und Brasilien. Die andere Hälfte der Projektmittel wird von den privaten Projektpartnern für weitere Projektaktivitäten bereitgestellt. Das Gesamtbudget des Projekts beläuft sich somit auf 200.000 Euro. Mit dieser Public-Private Partnership Struktur soll ein Anreiz geschaffen werden, wirkungsvolle und praktikable Mechanismen zu etablieren. Projektpartner sind der Deutsche Kaffeeverband, die Unternehmen Jacobs Douwe Egberts, Melitta Gruppe, Nestlé und Olam Food Ingredients, sowie 4C Services, GRAS und Solidaridad Deutschland und Brasilien. Gemeinsam arbeiten die Partner daran, Erfahrungswerte und Erkenntnisse untereinander zu teilen und diese in die jeweiligen unternehmensübergreifenden und -internen Beschwerdemechanismen einfließen zu lassen. 

Grundlegende Informationen zum Projekt

  • Laufzeit: 1. November 2022 bis 31. März 2024 (davon 1. Februar 2023 bis 30. September Förderzeitraum durch die GIZ für die Aktivitäten von Solidaridad in Deutschland und Brasilien)
  • Ort: Alta Mogiana-Region in den Bundesstaaten São Paulo (Jeriquara, Pedregulho) und Minas Gerais (Claraval, Ibiraci)
  • Projektpartner: Deutscher Kaffeeverband, Jacob Douwe Egberts (JDE), Melitta Gruppe, Nestlé, Olam Food Ingredients (OFI), GRAS/4C Services, Solidaridad Brasilien, Solidaridad Deutschland
  • Projektziele: Entwicklung von Empfehlungen zur Anwendung und Anpassung eines globalen Beschwerdemechanismus an den lokalen brasilianischen Kontext sowie das Etablieren eines Joint Committee durch die Projektpartner, welches Beschwerdefälle vorwettbewerblich gemeinsam bearbeitet und entsprechende Abhilfe- und Präventivmaßnahmen gemeinsam konzipiert 
Kaffeeplantage Brasilien
Arbeiter im brasilianischen Kaffeesektor

Blaupause für Q C Conta: Der Beschwerdemechanismus Ear4You

Ausgangspunkt und operationale Blaupause für Q C Conta ist ear4u, ein globaler Beschwerdemechanismus, der vom Deutschen Kaffeeverband mit und für seine Mitgliedsunternehmen entwickelt wurde, um den Anforderungen des LkSG zu entsprechen. In diesem Sinne ist Q C Conta ein Pilotprojekt, um wichtige kontextspezifische Faktoren in der Ausarbeitung zu berücksichtigen – und auch, um künftig aus den so gewonnenen Erkenntnissen Beschwerdemechanismen für Betroffene zu etablieren und diese so zugänglich, transparent, legitim, vertrauenswürdig und effektiv wie möglich zu gestalten. Damit soll der Gefahr, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Mechanismen zu leeren Papiertigern mit keinem praktischen Nutzen verkommen, vorgebeugt werden.

Warum Brasilien? Und was machen wir dort genau?

Brasilien ist der größte Kaffeeproduzent weltweit und steuert ungefähr ein Drittel des jährlichen globalen Bedarfs bei. Wir fokussieren uns vor allem auf die Region Alta Mogiana, welche von mehr als 200 Jahren des Kaffeeanbaus geprägt wurde und sich aufgrund ihrer Struktur besonders für ein aussagekräftige und ausgewogene Analyse anbietet. 

Das Projekt besteht aus sechs verschiedenen Arbeitspaketen, hauptsächlich Informations- und Kommunikationsarbeit, Datenerhebung, Stakeholdergespräche und Workshops sowie Datenauswertung.

Die Aktivitäten von Solidaridad in Brasilien konzentrieren sich auf die Entwicklung von Empfehlungen für einen zugänglichen, legitimen und effektiven Beschwerdemechanismus, der an den lokalen brasilianischen Kontext angepasst ist. Zu diesem Zweck wird eine App entwickelt, validiert und zur Erhebung von Schlüsseldaten bei einer repräsentativen Stichprobe von Kaffeefarmen in der Projektregion Alta Mogiana eingesetzt. Während des gesamten Prozesses finden Treffen und Konsultationen mit Farmer*innen, Arbeiter*innen, Geschäftspartner*innen und anderen Interessengruppen (u.a. auch Organisationen der Zivilgesellschaft und Regierungsvertreter*innen) statt. Alle Ergebnisse werden von einer Arbeitsgruppe in Brasilien – bestehend aus Vertreter*innen des Nationalem Kooperativenverbandes (Conselho Nacional de Café/ CNC), des Kaffee-Exporteursverbandes (Conselho de Exportadores de Café/ CECAFE) und der Umweltorganisation IMAFLORA – analysiert und validiert. Gemeinsam erarbeiten diese Akteure einen Abschlussbericht mit Empfehlungen für einen wirksamen und zugänglichen Beschwerdemechanismus, der auch potenzielle Präventiv- und Abhilfemaßnahmen aufzeigt. 

Gemeinsam mit dem Deutschen Kaffeeverband und der Melitta Gruppe ist Solidaridad Deutschland in der Steering Gruppe und verantwortlich für die Koordination mit Solidaridad Brasilien, die Projektsteuerung und die Abstimmung mit den Partnern. Außerdem sind wir Teil des Joint Committee, das potentielle Beschwerden evaluiert.

Was haben die Projektpartner bisher gelernt?

Im bisherigen Projektverlauf konnten wir zwei wesentliche Punkte feststellen: 

  1. Im brasilianischen Kontext gibt es bereits verschiedene Ansätze zur Errichtung von Hinweisgebersystemen für Beschwerdemechanismen. Hier sind wir mit den jeweils Verantwortlichen im Austausch, um zu prüfen, wie ein effizientes und wirksames Setting zur Hinweisabgabe zukünftig aussehen kann. 
  2. Die zielgruppengerechte Kommunikation zur Bekanntmachung und Bewusstseinsstärkung für Verstöße und deren entsprechende Meldung gestaltet sich zeitintensiv. Die intensiven Gespräche mit den Beteiligten vor Ort sind jedoch dringend notwendig – nur auf dieser Basis wird eine entsprechende Akzeptanz und Nutzung des Hinweisgebersystems ermöglicht.

Wir werden im weiteren Verlauf des Projekts darüber berichten, wie sich unsere Erkenntnisse auf das Projekt auswirken.

Interesse an einer Zusammenarbeit? Wir freuen uns über eine Nachricht!

Markus Bier Profilbild

Markus Bier

Corporate Partnership Manager

markus.bier@solidaridadnetwork.org