Dieser Artikel ist von Eduard Merger als Blogartikel auf LinkedIn erschienen.
Klimafinanzierung erreicht die besonders von der Klimakrise betroffenen Kleinbäuer*innen nicht
Die Folgen der globalen Klimakrise sind bereits heute sichtbar: Dürren und Überschwemmungen zerstören die Landwirtschaft – und treffen den Gastgeberkontinent der COP 27, Afrika, mitunter am härtesten. Laut Weltagrarbericht dient 53% der Menschen in Afrika die Landwirtschaft als Existenzgrundlage. Eine ganze Reihe afrikanischer Staaten wird auf Grund der Klimakrise verstärkt auf Lebensmittelimporte angewiesen sein; verstärkte Abhängigkeiten, interne Verteilungskrisen und eine gesteigerte Migration sind die Folge.
Man könnte meinen, das wären genug Gründe für die Weltgemeinschaft, den Entwicklungs- und Schwellenländern mehr Geld für Klimaschutz und Klimaanpassung in Aussicht zu stellen. Doch tatsächlich brachten es die Geberländer im Jahr 2020 auf nur knapp 83 Milliarden Klimafinanzierung, statt der im Jahr 2009 (COP 15) versprochenen 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Dabei würde nicht nur sehr viel mehr Geld dringend benötigt – es müsste auch zielgerichteter eingesetzt werden. Aktuelle Studien zeigen, dass die derzeitige Klimafinanzierung die 475 Millionen am stärksten vom Klimawandel betroffenen Kleinbäuer*innen kaum erreicht. Die kumulierte Klimafinanzierung für die Land- und Forstwirtschaft sowie die Landnutzung betrug im Zeitraum 2017/2018 lediglich 20 Mrd. USD. Dies entspricht 3 % der global erfassten Klimafinanzierung in diesem Zeitraum. Und nur 1,7 % der Klimafinanzierung gehen an Kleinbäuer*innen in Entwicklungsländern.
Doch wieso hadern Regierungen, multilaterale Entwicklungsbanken und globale Fonds Probleme bei der Unterstützung von lokalen Akteur*innen? Meine Erfahrung deckt sich da mit internationalen Studien zu diesem Thema: Bei den Akteur*innen des globalen Nordens scheint die Wahrnehmung vorzuherrschen, dass lokale Akteur*innen lediglich über begrenzte Kapazitäten und Erfahrungen verfügen würden, um große Summen entgegenzunehmen, auszuzahlen sowie transparent und verantwortungsvoll zu verwalten. Das führt dazu, dass lokal geführte Initiativen und Kleinbäuer*innen immer wieder mit strukturellen Hindernissen beim Zugang zur Klimafinanzierung zu kämpfen haben. Diese sind unter anderem: Zu kurze Finanzierungszyklen, die nicht der Realität vor Ort entsprechen; extrem komplexe und unflexible Verfahren zur Beantragung und Investitionen von Fördermitteln, die große Organisationen mit ausreichenden Ressourcen begünstigen – diese sind aber oft kaum llokal verankert; komplexe und teure Verfahren zur Akquirierung von Klimafinanzierung; zu große Klimaprogramme mit strengen Sorgfaltspflichten und hohen Transaktionskosten.
Klimafinanzierung neu denken: So sichern Geber*innen die Zukunft der Kleinbäuer*innen
Wie der COP 27 vorangegangene Beschlüsse zeigen, wollen die vereinten Nationen die Landwirtschaft vermehrt in den Blick nehmen – darunter auch die Rolle der Kleinbäuer*innen. Die Beschlüsse zeigen auch, dass die UN das einzigartige Potenzial der Landwirtschaft bei der Bekämpfung des Klimawandels anerkennt und länderspezifische Lösungen anstrebt: “Wir möchten betonen, dass jedes Lebensmittel- und Produktionssystem seine eigenen Herausforderungen und Lösungen hat, die kontext- und länderspezifisch sein müssen. Und dass die Strategien und ihre Umsetzung auf die lokalen Gegebenheiten zugeschnitten sein müssen, damit sie in größerem Umfang umgesetzt werden können.”
Wir begrüßen diese Entwicklung sehr und fordern die internationale Gemeinschaft gleichzeitig dringend dazu auf, die internationale Zusammenarbeit weiter zu verstärken, um eine nachhaltige, kohlenstoffarme und klimaresistente Landwirtschaft zur Bekämpfung von Hunger und Armut zu unterstützen. Einen besonderen Schwerpunkt sehen wir dabei darin, lokale und indigene Gemeinschaften sowie Frauen zu stärken. Darüber hinaus fordern wir die internationale Klimafinanzierungsgemeinschaft und die politischen Entscheidungsträger*innen auf, die derzeitigen Mechanismen zur Bereitstellung von Klimafinanzierungsmitteln zu überdenken.
Wir schlagen folgende strukturelle Änderungen bei der Vergabe vor Klimafinanzierung vor, die es ermöglichen werden, Programme zu implementieren, die sich an die Prinzipien der lokal geführten Klimaanpassung (“principles for locally-led adaptation”) orientieren.:
- Bereitstellung zusätzlicher öffentlicher und privater Finanzmittel für Klimamaßnahmen im Agrarsektor
- Vereinfachung des Zugangs zu Klimafinanzierung für kleinbäuerliche und lokal geführte Initiativen
- Klimafinanzierung in längeren Zeiträumen (>8 Jahre), gemeinsam mit lokalen Initiativen
- Vereinfachung der komplexen, teuren und langen Zulassungsverfahren für Klimafinanzierung
- Uneingeschränkte Bezuschussung von Kleinbäuer*innen und besonders von der Klimakrise bedrohten Gruppen
- Erhöhte Risikobereitschaft von bilateralern und multilateralen Klimafinanzier*innen bei der Kapitalbereitstellung an kleine und mittlere Unternehmen
- Faire Kompensation von Kleinbäuer*innen, die einen messbaren Beitrag zur Klimaminderung beitragen (wie das gehen kann, zeigen wir mit unseren Kaffee-Projekten in Südamerika)
Unfaire Gewinnmaximierung auf Kosten von Kleinbäuer*innen war gestern – Menschenrechte, Lebensmittelgerechtigkeit, faire Preise und eine klimaresiliente Landwirtschaft sind die Zukunft
Annalena Baerbock hat erst kürzlich noch einmal klar gemacht: Deutschland steht zu seinen Verpflichtungen bei der Klimafinanzierung. Auf der Klimakonferenz in Ägypten muss Deutschland diesen Worten Taten folgen lassen. Die COP 27 muss eine Klimakonferenz der Solidarität werden – wo die Industrienationen, aufgrund ihrer historischen Verantwortung den ärmsten und besonders von der Klimakrise betroffenen Ländern der Welt Unterstützung leisten. Eine Klimafinanzierung, die wirklich bei den am meisten betroffenen Menschen im globalen Süden ankommt, ist dafür unerlässlich.
Wir müssen uns bei der Gestaltung des weltweiten Lebensmittelsystems abwenden von der unfairen und unsolidarischen Gewinnmaximierung weniger Unternehmen und der Ausbeutung natürlicher Ressourcen, hin zu Menschenrechten, Lebensmittelgerechtigkeit, fairen Preisen und nachhaltigeren landwirtschaftliche Praktiken. Ich möchte allen Entscheider*innen, die im November in Sharm El-Sheikh mit am Tisch sitzen werden, auf den Weg geben: Vergesst die Millionen Kleinbäuer*innen nicht, die unser tägliches Essen produzieren. Kleinbäuer*innen sind essentiell für unsere kollektive Ernährungssicherheit, werden für ihre Bemühungen um nachhaltigere Produktionsmethoden jedoch kaum belohnt. Dabei haben sie sogar das Potenzial, zu echten Klimaheld*innen zu werden, die nicht nur Lebensmittel produzieren sowie Hunger und Armut bekämpfen, sondern mit einer kohlenstoffarmen und klimaresilienten Landwirtschaft zudem zum Game Changer in der Landwirtschaft werden können.